Weihnachten rückt näher und näher, die Tage werden kürzer, doch so
richtig weihnachtlich will es bei über 20 Grad tagsüber noch nicht werden. Man
kann sich abgesehen von den Abendstunden also noch recht gut draußen aufhalten.
Die Arbeit im Garten bleibt also weiterhin anstrengend. Da wir in letzter Zeit
ziemlich viele Agaven (Agaven: giftiger Saft der Ausschlag hervorruft, mit
Dornen gespickte Blätter) rausreißen mussten, musste ich häufiger an das
folgende Filmzitat denken: „Die Bäume sind stark, mein Gebieter! Ihre Wurzeln
dringen tief“, „Reißt alle Bäume heraus!“ (wer den Film errät darf gerne die Kommentarfunktion
nutzen J ).
Trotz des warmen Wetters ist der Winter
in Nes Ammim aber die Zeit der Indooraktivitäten und der Lectures. Von zwei
Lectures möchte ich berichten.
Für uns besonders interessant war die Lecture über Kashrut von Ophir
Yarden, einem Dozenten für jüdische und israelische Studien an der Brigham
Young University. Kashrut meint das Reglement, nachdem entschieden wird, was
kosher ist und was nicht.
Mit den besonderen jüdischen Speiseregeln kommt man
hier schon ab dem ersten Tag in Berührung, da wir auch in unserem eigenem
Speisesaal die Regeln für koschere Mahlzeiten einhalten müssen, weil wir uns die
Küche mit dem Speisesaal für die Gäste teilen. Das heißt also: separate Teller
und separates Besteck für Fleisch und Milch. So kommt es, dass es morgens und
abends bei uns kein Fleisch gibt, sondern nur mittags, damit das Besteck nicht
durcheinandergebracht wird und somit nicht alles unkoscher wird. In der Küche
wird diese Trennung fortgeführt, also auch hier separate Messer, Teller, Töpfe etc. für Fleisch und Milch. Somit hat jeder
von uns von Beginn an eine dunkle Ahnung davon, was koscher bedeutet. Die
Lecture, hat dieses dunkel ein wenig erhellt, wobei schnell klar wurde, dass
es auch innerhalb der jüdischen Gemeinschaft nicht immer klar ist, was koscher
ist und was nicht.
Das ganze Reglement geht zurück auf Bibelstellen wie Exodus
23, 19, wo es heißt: „du sollst ein Böcklein nicht kochen in der Milch seiner
Mutter“.Durch die Jahrhunderte wurde daraus ein ganzes Regelwerk. So ist es
nur erlaubt von Säugetieren zu essen, wenn diese gespaltene Hufe haben und
Wiederkäuer sind. Das Schwein ist besonders listig: es hat zwar gespaltene Hufe, ist aber kein Wiederkäuer und daher verboten. Für Vögel gibt es eine Liste: nur Vögel auf der Liste dürfen
gegessen werden. Reptilien fallen ganz aus der Speisekarte. Bei Insekten sind
einige Grasshüpferarten erlaubt – mit besten Empfehlungen von Johannes dem
Täufer– der Rest ist aber auch verboten. Bei Fischen gibt es wieder eine Regel:
Flossen und Schuppen müssen schon dran sein, also z.B. keine Meeresfrüchte und kein Aal. Dann
gibt es natürlich noch eine Kategorie an neutralen Speisen, die sowohl zu
Fleisch, als auch zu Milchmahlzeiten gegessen werden dürfen. Darunter fallen
Fische, Früchte, Gemüse und Eier. Vorsicht aber bei den Eiern: Es kann
vorkommen, dass sich im Dotter ein kleiner Blutpunkt befindet. Dann darf das Ei
gar nicht gegessen werden, da der Verzehr von Blut grundsätzlich verboten ist.
Weiterhin gibt es eine genaue Zeit wie lange zwischen Milch und
Fleischmahlzeiten gewartet werden muss. Allerdings wird hier gestritten. Es
gibt im wesentlichen drei große Schulen: Die Vertreter von Schule eins
empfehlen eine Stunde, die Vertreter von Schule zwei drei Stunden und die
Vertreter von Schule drei sechs Stunden zwischen den Mahlzeiten. Bei letzterer
wird es also schwierig wenn man nach einer Fleischmahzeit für den kleinen Hunger zwischendurch
zum Snickers greifen möchte. Bei der Wahl des Bestecks und der Teller sei
ebenfalls Vorsicht geboten, da es auch hier gravierende Materialunterschiede zu
beachten gilt! So ist es beispielsweise in Ordnung nach einer Milchmahlzeit ein
Glasgefäß nach dem Abwasch für eine Fleischmahlzeit zu verwenden. Dies ist bei
Metall nur nach einem speziellen Verfahren, in dem Dinge wieder koscher gemacht
werden, möglich. Unmöglich ist es
hingegen bei Ton, Porzellan, Holz und Plastik: Einmal für Fleisch oder Milch verwendet, darf dieses
nicht mehr für die andere Kategorie verwendet werden. Theoretisch.
Selbstverständlich gilt es auch spezielle Regeln bei der Schlachtung
von Tieren zu beachten. So ist es entscheidend, dass das Tier beim Schächten,
dem Schlachtvorgang, bei vollem Bewusstsein ist und das Speise- und Luftröhre
vollständig durchtrennt werden. Weiterhin muss das Tier komplett ausbluten, da,
genau wie bei dem Beispiel mit dem Ei, kein Blut verzehrt werden darf, da darin
das Leben nach Leviticus 17,13-14 enthalten ist. Selbstverständlich gibt es
auch jemanden, der die Einhaltung der Regeln überwacht, den sogenannten
Masgi’ah.
Warum ich darüber so ausführlich berichte? Für mich halten die
Koscherregeln eine wesentliche Lektion im Umgang mit anderen Kulturen bereit:
Respekt. Mir selbst bedeuten diese Regeln nichts, ich würde nicht nach ihnen
leben, schon allein weil ich kein Jude bin. Vieles verstehe ich nicht und bei manchem musste ich schon schmunzeln; letzteres ist aber weniger
ein Problem: auch Ophir Yarden musste zuweilen etwas grinsen, wenn er die eine
oder andere Feinheit von Kashrut erklärt hat. Kurzum: koscher müsste es für
mich selbst nicht sein. Einem großen Teil der Menschen, die in diesem Land
leben und in deren Land ich auch für eine kurze Zeit lebe, bedeuten diese
Regeln aber etwas. Es ist ein Teil ihrer Welt und wir hier in Nes Ammim sind
auch Teil dieser Welt, ihrer Kultur. Soweit es also möglich ist und nötig ist,
halten wir uns an die Kashrutregeln und respektieren diese.
Weiterhin besuchten wir das christlich-arabische Dorf Mi’eljah nahe
Nahariya, wo wir von Schwester Monika empfangen wurden. Schwester Monika stammt selbst
aus Deutschland und ist vor acht nach Jahren nach Israel gekommen. Vorher hatte
sie lange Zeit als Physikerin in Deutschland gearbeitet. Im Zentrum des Dorfes
steht eine alte Kreuzfahrerfeste, in die hinein die melkitische Kirche von Mi’eljah
gebaut wurde. Eigentlich sind die Melkiten eine orthodoxe Konfession, sie haben
also die gleiche Liturgie wie die orthodoxen Kirchen. Die Melkiten sind aber
Teil der römisch-katholischen Kirche und unterstehen damit dem Papst. Schwester
Monika erzählte uns zunächst einiges über die Feinheiten der melkitischen
Liturgie, so zum Beispiel die Funktion der Ikonostasen, die einen Zugang zum
Himmel eröffnen oder über den Weihrauchschwenker an dem Zwölf Glocken befestigt sind,
stellvertretend für die zwölf Apostel. Eine der Glocken klingt jedoch nicht –
die des Judas. Jedes Element war im höchsten Maße symbolisch aufgeladen und
hatte eine genaue Funktion während der göttlichen Liturgie.
hier die weihnachtlich geschmückte Kirche. |
Die andere Seite ihres Berichts beschrieb das Leben der arabischen
Bevölkerung im Dorf, das wie so oft beim arabischen Teil der Bevölkerung mit
vielen Ungerechtigkeiten beschwert ist. So ist es für die arabische Bevölkerung
nahezu unmöglich neuen Baugrund zu erwerben, da sie von der israelischen
Verwaltung keine Genehmigung zur Ausweisung von Bauland bekommen. Das genaue
Gegenteil ist bei den umliegenden jüdischen Siedlungen der Fall, die sich von
Tag zu Tag mehr ausdehnen. Ein weitere Regelung stammt noch aus osmanischer
Zeit, wird aber von der israelischen Regierung rigoros durchgesetzt: wird ein
Stück Land drei Jahre nicht bearbeitet, dann fällt es in die Hand des Staates. Der
Eigentümer wird dann quasi enteignet. Daher wird jedes noch so kleine Stück
Land von den Dorfbewohnern bewirtschaftet, selbst wenn dort nur Olivenbäume
gepflanzt werden. Diese müssen aber abgeerntet werden, da ansonsten auch in
diesem Fall die Regierung des Landes habhaft werden könnte. Diese Liste an
Ungerechtigkeiten und Drangsalierungen wäre noch fortzuführen.
Schwester Monika machte uns dann aber doch ein bisschen Hoffnung,
als sie von der Abreit der Kirche berichtete, die viele Bildungsprojekte an der
Schule unterstützt, um den arabischen Kindern bessere Aufstiegschancen zu
ermöglichen. Das Gespräch mit Schwester Monika hat mich sehr beeindruckt, da
diese Frau ganz von ihrem Glauben an einen persönlichen Gott bewegt, einen Weg im
Kampf gegen die ungerechte Behandlung von Menschen gewählt hat, der in keinster
Weise der komfortabelste und einfachste Weg für sie gewesen wäre – den hätte ihr
altes Leben sicher für sie bereit gehalten.
„Herr der Ringe „ nicht wahr 😊
AntwortenLöschenRichtig! :)
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